63. Stück: Logik von Zeitreisen in fiktionalen Werken

Asche auf mein Haupt, erst letztes Wochenende habe ich erstmals Terminator geguckt, zusammen mit meinem Freund. Und ich finde, der Film ist vollkommen unlogisch. Er ist trotzdem unterhaltsam und spannend, aber, wenn man mal darüber nachdenkt, haut das mit der Zeitreise logisch betrachtet hinten und vorne nicht hin. Mein Freund entgegnete diesem Einwand mit der kategorischen Feststellung, Zeitreisen wären grundsätzlich nicht logisch, woraufhin ich meinte, in Zurück in die Zukunft sei die Zeitreise-Thematik sehr wohl logisch. „Nee“, meinte mein Freund und da dachte ich: Jetzt reicht’s, ich schreibe einen Essay.

Wohlan, die Diskussion ist eröffnet:

  • These Nr. 1 (meine, also die Richtige): Zeitreisen können in fiktionalen Werken logisch dargestellt werden.
  • These Nr. 2 (die von meinem Freund, der unrecht hat): Zeitreisen sind grundsätzlich unlogisch und deswegen muss man die Unlogik in Zeitreise-Geschichten einfach hinnehmen.

Meine These ist insofern schonmal besser, als dass sie mehr Spaß macht. „Es ist so wie es ist“, ist eine langweilige These. Außerdem muss man meines Erachtens unterscheiden zwischen „logisch“ und „in der wirklichen, nicht-fiktionalen Welt wissenschaftlich realisierbar“. Bisher sind Zeitreisen im wirklichen Leben noch nicht durchführbar, aber in Filmen und Büchern sind sie es. Das heißt, man kann für erzählte Welten, in denen Zeitreisen möglich sind, eine eigene, innere Logik voraussetzen, die den Naturgesetzen der wirklichen Welt nicht in jedem Punkt entsprechen muss.

Kommen wir nun zum berühmt-berüchtigten Großvaterparadoxon, das häufig im Zusammenhang mit der „Terminator“-Welt zitiert wird. Das Paradoxon besteht in folgendem Gedankenspiel: Jemand reist in die Zeit zurück, um seinen eigenen Großvater umzubringen. Sobald er ihn jedoch umbringt, hört er auf zu existieren, er wird gar nicht erst geboren. Dann kann er allerdings auch nicht in die Zeit zurückreisen, um seinen Großvater umzubringen.

Wie löst man dieses Problem?

Eine Möglichkeit ist, davon auszugehen, dass die Ereignisse in der Zeit bereits im Kern feststehen und nicht grundlegend veränderbar sind. Ich nenne das mal die Schicksals-Erklärung. Alles ist vorherbestimmt, was passieren soll, wird passieren, in welcher Form auch immer. Demnach würde es wahrscheinlich erst gelingen, den Großvater umzubringen, nachdem er den Vater oder die Mutter bereits gezeugt hat und auch nur dann, wenn ohnehin vom Schicksal vorgesehen war, dass er bald nach der Zeugung ermordet wird (wenn auch nicht zwingend von seinem eigenen Enkel, der, nebenbei bemerkt, von Respekt vor dem Alter anscheinend nie was gehört hat). Dieses Weltbild liegt anscheinend bei Terminator der Logik innerhalb der erzählten Welt zugrunde.

Aber: Wozu geben sich der Terminator und Kyle Reese die ganze Mühe, 45 Jahre in die Vergangenheit zu reisen, dort allerhand Unruhe zu stiften und das Raum-Zeit-Kontinuum ins Chaos zu stürzen, wenn ohnehin alles so passiert, wie es vorgesehen ist und sich nicht ändern lässt? Dann wird doch John Connor trotzdem irgendwie geboren, oder zumindest jemand, der dann an seiner Stelle seine Rolle als Anführer der Menschenrebellen übernimmt. Und dann verlieren die Maschinen doch ohnehin früher oder später den Krieg, wenn das vom Schicksal so vorgesehen ist.

Nun könnte man einwenden, dass die Figuren nicht wussten, dass es überhaupt nichts nützt, die Vergangenheit zu verändern, weil der Ablauf der Ereignisse innerhalb der Zeit im Kern sowieso von vorneherein feststeht. Dass sie halt einfach mal ihr Glück versucht haben. Na ja, … Ein wenig dürftig, die Erklärung, oder? Und woher hatte Kyle Reese das Foto von Sarah, wenn es in seiner Zukunft, mit der ursprünglichen, vom Terminator unbehelligten Vergangenheit, noch nicht geschossen wurde? Wer war ursprünglich John Connors Vater und macht es denn überhaupt keinen Unterschied, wenn sein Vater sich plötzlich ändert und Kyle Reese derjenige welche wird?

Wenn eine Handlung so viele Fragen aufwirft, dann ist sie nicht logisch. Tut mir leid. Aber liegt das in der Natur der Sache, wie mein Freund behauptet? Darf man da überhaupt gar nicht erst anfangen, über die Handlung nachzudenken? Vielleicht. Aber meines Erachtens geht es eben doch anders.

Eine weitere Möglichkeit, sich aus dem Großvaterparadoxon herauszuwieseln, ist die Viele-Welten-Theorie. Dabei gibt es nicht nur einen im Kern unveränderbaren Zeitstrang, wie es bei der Schicksals-Erklärung der Fall ist, sondern beliebig viele parallele Zeitstränge oder auch Welten. Kehrt jemand in die Vergangenheit zurück und pfuscht da fröhlich vor sich hin, eröffnet sich ein neuer Zeitstrang und eine neue Parallelwelt, die eine Zukunft mit den veränderten Voraussetzungen zeigt. In dieser Theorie würde der undankbare Enkel also in die Vergangenheit reisen, seinen Großvater abmurksen und damit eine neue Welt eröffnen, in der sein Großvater nicht mehr lebt, er aber weiterhin existiert. Es gibt ihn dann sozusagen doppelt: einmal in der neuen Welt und einmal in der alten Welt. In der alten Welt aber hat sich nichts verändert, dort lebt sein Großvater weiterhin, kann sein Kind und seinen Enkel zeugen, der dann später in die Vergangenheit zurückreist. Diese Erklärung lässt sich allerdings nicht auf Terminator anwenden, da in dem Film nicht ein einziger Hinweis darauf gegeben wird, dass es mehrere parallel laufende Zeitstränge gibt. Vielleicht kommt das noch in den folgenden Teilen?

Beispiele für fiktionale Werke, in denen die Viele-Welten-Theorie als Erklärung für Zeitreisen dient, ist zum Beispiel Stephen Kings Der Anschlag oder auch Richard Kellys Meisterwerk Donnie Darko, je nachdem, wie man diesen ambivalenten Film interpretiert. Mit der Viele-Welten-Theorie macht man es sich natürlich leicht, da können keine Logiklöcher entstehen, wenn bei jeder Veränderung eine neue Welt eröffnet wird. Dann ist alles möglich.

Aber kann ein Film oder ein Buch auch in sich eine logische Welt aufbauen, wenn es sich nur um eine Welt handelt? Im bereits erwähnten Zurück in die Zukunft zum Beispiel, da ist die Handlung, dafür, dass Zeitreisen das zentrale Motiv sind, im Großen und Ganzen logisch. Zumindest logisch genug, damit mein ruheloser Geist nicht ständig mit einem „Hä? Moooooment! Da stimmt was nicht, warum ist das *ratter-ratter-ratter-klöter-rumpel*“ dazwischenhupt.

Es gibt den ursprünglichen Zeitverlauf: Marty McFlys Eltern lernen sich zu Highschoolzeiten kennen und lieben, weil sein Vater George vors Auto von Martys Großvater, Lorraines Vater, gefallen ist. Lorraine hatte daraufhin Mitleid mit ihm, ist mit ihm zum ‚Verzauberung unterm See‘-Tanz gegangen, wo sie sich das erste Mal geküsst haben und von da an war ihre Zukunft besiegelt. In den 80er Jahren ist George ein Versager, wird vom Rüpel Biff weiterhin drangsaliert, Lorraine ist frustriert, alles ist irgendwie suboptimal.

Nun kommt die Handlung aus dem ersten Teil: Marty reist aus Versehen ins Jahr 1955 zurück und fällt statt George vor das Auto von Lorraines Vater. Das heißt, sie verliebt sich in Marty, nicht in George. Soweit, so logisch. Je mehr sie sich in Marty verliebt und je ferner die Möglichkeit rückt, dass sie George überhaupt nur wahrnimmt, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass Marty aufhört zu existieren. Wenn er tatsächlich vollständig verschwinden würde, dann könnte er natürlich auch nicht in die Vergangenheit reisen und alles bliebe beim Alten. Aber da er seine Eltern nicht umbringt, wird das Großvaterparadoxon geschickt umgangen, er löst sich also nur allmählich auf. Und dann, bevor es zu einem Paradoxon kommen kann, wendet sich alles zum Guten und George küsst Lorraine. Allerdings hat er dadurch, dass er Biff eine reingehauen hat, Selbstvertrauen gewonnen und deswegen ist dann die Gegenwart doch leicht verändert, als Marty ins Jahr 1985 zurückkehrt. George ist ein erfolgreicher Autor, Lorraine und er sind wie frisch verliebt und Biff ist der Versager, der ständig die Familienautos waschen muss.

Im zweiten Teil von Zurück in die Zukunft wird es etwas komplizierter, aber meiner Meinung nach bleibt es dennoch innerhalb des erzählten Universums folgerichtig. Marty und Doc Brown reisen ins Jahr 2015 (Am 21. Oktober, haben schon alle ihre Kalender gezückt, um ihn Willkommen zu heißen? Und wo bleibt mein Hoverboard!), um Martys zukünftigen Sohn vor einem Schlamassel zu retten. Sie erledigen ihre Mission, aber in der Zwischenzeit hat der alte Biff sie beobachtet, das mit der Zeitmaschine spitzgekriegt und heckt einen teuflischen Plan aus. Er kauft in einem Antiquariat einen Almanach mit den Ergebnissen der Sportwetten von 1950 bis 2000, klaut die Zeitmaschine und reist ins Jahr 1955, wo er seinem jungen Alter Ego den Almanach überreicht. Als Marty daraufhin in seine Gegenwart, das Jahr 1985 zurückkehrt, ist alles verändert: Biff ist zum reichsten und mächtigsten Mann der Stadt aufgestiegen, die Stadt versinkt in der Kriminalität, George ist in der Zwischenzeit gestorben und Lorraine hat danach Biff geheiratet und ist Alkoholikerin geworden. Also müssen Marty und Doc Brown wieder nach 1955 reisen, um zu verhindern, dass der alte Biff dem jungen Biff den Almanach gibt. Ist doch logisch, oder?

Der dritte Teil spielt fast ausschließlich im Wilden Westen, und da man dieses Mal nicht so viel davon erfährt, inwieweit Martys und Docs Handlungen Auswirkungen auf die Zukunft haben, drücken sich die Filmemacher hier geschickt darum, Logiklöcher überhaupt erst entstehen zu lassen.

Das ist überhaupt die einfachste Methode, Zeitreisen in fiktionalen Werken zu schildern, ohne dass ein Großvaterparadoxon entsteht. Man lässt die Figuren aus der Zukunft schlichtweg nichts derart Wesentliches in der Vergangenheit verändern. Oder man lässt seine Figuren gar nicht erst in die Vergangenheit reisen, so wie im ersten Teil von Planet der Affen oder in Die Zeitmaschine nach dem Roman von H. G. Wells. Da hat man dann freie Hand und kann auf Basis der aktuellen Gegenwart die Zukunft beliebig weiterspinnen. Was dann eine wunderbare Taktik ist, um Gesellschaftskritik an aktuellen Problemen zu üben, ohne diese direkt ansprechen zu müssen. Diese Denkleistung muss der Zuschauer übernehmen. Eine spannende Aufgabe.

Und, was meint ihr? Konnte ich euch überzeugen, dass es sehr wohl möglich ist, Zeitreisen in Filmen und Büchern logisch zu erzählen?

11 Kommentare

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11 Antworten zu “63. Stück: Logik von Zeitreisen in fiktionalen Werken

  1. Unabhängig von deinem Artikel bin ich auf jeden Fall der Meinung, dass Zeitreise-Geschichten einer inneren Logik folgen MÜSSEN! Die Terminator-Reihe liegt bei mir schon eine ganze Weile zurück, deswegen kann ich dazu jetzt nichts wirklich Schlaues sagen.

    In der Serie „Lost“ erklärt Daniel Farraday das Phänomen des Zeitreisens ziemlich trivial mit den Worten: „Whatever happened, happened.“
    Um es einfach zu sagen: Mann kann die Vergangenheit nicht ändern, weil der Versuch sie zu ändern bereits Teil der Vergangeheit ist. „Diese Schicksalserklärung“ macht für mich perfekt Sinn.

    Beispiel „Großvaterparadoxon“:
    Wenn ich in die Vergangenheit reise, um meinen Großvater zu töten, wird mir das nicht gelingen. Aus Sicht des Großvaters war ich bereits da, um mein Vorhaben umzusetzen. Vielleicht war das sogar vor meiner eigentlichen Geburt und vielleicht kann sich der Großvater gar nicht mehr daran erinnern. Oder es liegt so lange zurück, dass er nicht erkennt, dass der Mann, der ihn einst umbringen wollte genauso aussieht wie sein Enkel viele Jahre später.
    Wenn ich dann also in der Vergangeheit meinem Großvater gegenüber stehe, werde ich ihn nicht töten, weil die Handlung bereits passiert ist. Ich kann mich nur nicht daran erinnern, weil mein Geist linear funktioniert und damit keine Erinnerung bestehen kann.
    Aus irgendeinem Grund wird der Großvater weiterleben. Entweder funktioniert die Waffe nicht, oder der Blitz schlägt ein oder ich verspüre urplötzlich den inneren Impuls es einfach nicht zu tun.
    Es ist übrigens auch möglich, dass mein Großvater im Kampf mich tötet und sein Leben danach ganz normal weiterlebt. Jahre später werde ich geboren, lebe mein Leben bis ich in die Vergangeheit reise und dort von meinem Großvater getötet werde.

    Man muss die Zeitebenen einfach wie Orte sehen. Man zieht von Deutschland nach Österreich, nach Amerika, nach Mexiko, wo man dann stirbt. Genauso zieht man von 2015 nach 2016, nach 2017, nach 1978, wo man dann ebenfalls sterben kann.

    So das war jetzt wahrscheinlich ziemlich kompliziert geschrieben. In meinem Kopf macht das alles zu 100% Sinn 🙂

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    • Doch, das klingt nachvollziehbar. Demnach wäre es also tatsächlich für „Terminator“ eine Erklärung, dass es von vorneherein so bestimmt war, dass Kyle Reese in die Vergangenheit reist, um Sarah Connor zu beschützen und John Connor zu zeugen. Und dass er sich aber nicht daran erinnert, weil das Geschehen im Jahr 1984 in seiner persönlichen Lebensbiographie erst in der Zukunft geschieht, als er in die Vergangenheit reist. (Au weia, ich hoffe, das verknotet jetzt nicht alle Gehirnwindungen 🙂 )

      Aber warum reist der Terminator in die Vergangenheit, wenn er an seiner Gegenwart sehen kann, dass John Connor lebt und dass es deswegen keinen Erfolg haben kann, seine Mutter umzubringen, sonst würde er doch im Jahr 2029 nicht leben. Gerade Maschinen sollten doch absolut logisch vorgehen. Na ja, vielleicht kennen sich Maschinen ja auch mit Zeitreisen und Schicksal nicht so gut aus. 🙂

      Ich bin mal auf den neuen Terminator-Film gespannt, der im Juli ins Kino kommt. Ich glaube, das gibt ein richtiges Kuddelmuddel 🙂 Mal sehen, ob die Schicksalserklärung dann noch ausreicht 🙂

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      • Ich muss mir die alten noch mal anschauen. Eigentlich weiß ich nur noch, dass Arnie sagt: „I’ll be back“ 😀 😀 😀

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      • Heute habe ich zum ersten Mal „Das Haus am See“ mit Keanu Reeves und Sandra Bullock gesehen. Der Film ist ein perfektes Beispiel wie Zeitreisen (oder hier besser das Zeitparadoxon) NICHT umgesetzt werden können. Der Film ist zwar sehr rührend, macht aber von vorne bis hinten keinen Sinn.

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      • Oh, den Film habe ich auch mal gesehen, ist aber schon ewig her. Das ist das, wo sie sich über den Briefkasten Botschaften zwei Jahre in die Zukunft/die Vergangenheit schicken, oder? Ich weiß leider nicht mehr, wie logisch ich den Film fand, ich fand ihn aber so ganz nett.

        Übrigens habe ich gestern „Terminator 2“ gesehen und bin jetzt komplett verwirrt. Da wird mehrfach von den Figuren betont, dass die Zukunft änderbar ist, und kein unabänderliches Schicksal. „No Fate“ ritzt Sarah Connor in einen Holztisch, als sie auf der Flucht bei Freunden unterkommen. Die Schicksalserklärung für das Großvaterparadoxon scheidet also aus. Mehrere Parallelwelten scheint’s auch nicht zu geben … Dann muss John Connor halt ursprünglich einen anderen Vater gehabt haben und der Terminator wurde auf anderem Wege gebaut, ohne dass die Wissenschaftler seinen Chip hatten. Mein Freund behauptet, das würde sich im dritten Teil alles aufklären, aber ich bin da skeptisch 😛

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  2. Im dritten Teil klärt sich übrigens nur ein Teil des Kuddelmuddels auf, der im dritten Teil aufgeworfen wird. Dafür tüddelt der fünfte Teil „Terminator: Genisys“ ganz schön mit dem Raum-Zeit-Kontinuum herum. Macht Spaß, ist unterhaltsam, aber ganz und gar unlogisch. 🙂

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  3. Hier meine Kritik zu „Terminator: Genisys“:

    „Terminator: Genisys“ von Alan Taylor ist spannend, unterhaltsam und macht Spaß. Aber: Logik sucht man in der Handlung vergebens. Nun kann man da großzügig darüber hinwegsehen – schließlich musste man das bereits beim ersten Terminator-Film tun -, allerdings erfordert das dieses Mal wirklich sehr viel guten Willen. Den ich tatsächlich auch hatte, nichtsdestoweniger ärgert es mich ein kleines bisschen irgendwo in einer Ecke meines Hinterkopfs, dass die Drehbuchautoren da nicht ein wenig genauer gearbeitet haben.

    Auf meinem Blog „Hamburgische Dramaturgie 2.0“ hatte ich, nachdem ich den ersten Teil gesehen hatte, einen Artikel über die Logik von Zeitreisen in fiktionalen Werken geschrieben: https://hamburgischedramaturgie2punkt0.wordpress.com/2015/06/03/63-stuck-logik-von-zeitreisen-in-fiktionalen-werken/#comment-153

    Meiner Meinung nach ist es durchaus möglich, trotz Zeitreisen eine Logik und Folgerichtigkeit innerhalb der erzählten Welt zu bewahren. Das gelingt, indem man sich auf einige wesentliche, wichtige Wendepunkte beschränkt, deren Entscheidungen die Handlung in eine überschaubare Anzahl möglicher Ausgänge lenken. Und indem man mögliche Fallstricke elegant umschifft.

    Die Prämisse, dass Kyle Reese der Vater von John Connor ist, ist eigentlich schon unlogisch. Es sei denn, man biegt sich das zurecht, und geht davon aus, dass John Connor ursprünglich, vor dem ganzen Zeitgereise, einen anderen Vater hatte und ein anderer Mensch war, der es trotzdem geschafft hat, die Maschinen in die Enge zu treiben. Dann passieren in den anderen Teilen auch ständig irgendwelche Sachen, die überhaupt erst das auslösen, was verhindert werden soll. Selbsterfüllende Prophezeiungen, kann man argumentieren. Aber wie passt dann das „Kein Schicksal“-Mantra aus dem zweiten und dritten Teil hinein? Das löst der fünfte Teil nun auf und behauptet, es werde bei jeder Zeitreise ein neuer Zeitstrang mit Paralleluniversum eröffnet.

    Hm. Trotzdem bleiben meiner Ansicht nach zu viele lose Enden von eröffneten Handlungssträngen unverknüpft, sodass keine einheitliche Folgerichtigkeit entstehen kann. Am besten, man denkt nicht zu viel darüber nach.

    ++++ Spoiler ++++
    Ein paar von den losen Enden:
    Entstehen mit jedem neuen Zeitstrahl Kopien von den Protagonisten oder hüpfen sie per Zeitmaschine von einem Paralleluniversum ins nächste? Ich vermute Letzteres. Aber: Dann müsste John Connor viel jünger und noch ein Kind sein, wenn Kyle Reese und Sarah Connor im Jahr 2017 bleiben. Oder sie reisen extra noch mal ins Jahr 1984 zurück, um John Connor zu zeugen? Und wieso bringt John Connor das Leben seiner Eltern in Gefahr, indem er hinter ihnen herjagt wie so ein Bekloppter? Wenn sie sterben, wird er nie geboren. Wer hat überhaupt Arnie als Adoptivpapa für Sarah Connor noch weiter in die Vergangenheit geschickt? (Der Film zieht sich mit einem lapidaren „Wissen wir nicht“ aus der Affäre) Wer soll denn das gewesen sein? Und wieso informiert er John Connor nicht, was ist denn das für eine dumm organisierte Widerstandsbewegung, die sollen die Maschinen besiegt haben? Na ja.

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  4. rudi79

    Schöner Essay!
    Allerdings mit dem einen oder anderen “Fehler”.

    Ich habe mir gerade Terminator 4 angesehen (also den vorletzen) welcher wirklich der schlechteste der Reihe ist. Vor allem habe ich mich über die vielen Logiklöcher, nicht nur im Bezug auf Zeitreisen, geärgert. Und so kam ich zu deiner Seite. 🙂

    Ich denke, dass viele Fehler, gerade bei Zeitreise-Filmen, tatsächlich damit zu erklären sind, dass das Drehbuch, der Script oder auch die Geschichte selbst einfach fehlerhaft geschrieben werden. Da sitzen Leute, die sich mit der Zeitreiseproblematik nicht richtig beschäftigen, dazu kommen einfache Regie-, Schnitt- und Produktionsfehler die immer bei Filmen vorkommen. Man bedenke die Armbanduhr bei Ben Hur … das soll mal einer versuchen “logisch” zu erklären. 😉

    Bei Zeitreisefilmen versucht man aber ständig den Sinn hinter Dingen zu suchen, die zu 90% auf Scriptfehler zurückzuführen sind. Komischerweise wird das irgendwie selten in Betracht gezogen.

    Zu den Fehlern: Die Zeitreise bei Steven Kings “Der Anschlag” basiert meiner Meinung nach nicht auf der Multiversen-Theorie. Das Zeitportal setzt die Zeitlinie einfach nur auf den “Standard” zurück, wenn man es in die Vergangenheit benutzt. Geht man “Zurück in die Zukunft” haben Veränderungen die man vornimmt sehr wohl Auswirkungen auf die Zeitlinie des Protagonisten. Das wäre bei der Viele-Welten-Theorie nicht der Fall.

    Apropos: Auch bei “Zurück in die Zukunft” ist einiges nicht gaaanz logisch. Allein schon die Tatsache, dass Marty die Zukunft seiner Eltern so radikal verändert macht es sehr(!) unwahrscheinlich, dass sich sein Leben, also das des Marty mit der neuen Zeitlinie, so entwickelt hat wie das des “alten”. Inkl. seiner Freundschaft mit Doc. (Stichwort Schmetterlingseffekt) Auch ein netter Gedanke: In Teil 3 wird die Benzinleitung des DeLorean durchlöchert. Aber es gibt noch einen zweiten DeLorean … nämlich den, den Doc in der Mine versteckt hat und der darauf wartet von Marty 1955 gefunden zu werden. Das Ding hat wahrscheinlich noch Benzin und eine Einspritzanlage, welche als Ersatzteil dienen kann. Außerdem: Doc ist nicht in der Lage, aus Schnapps oder Petroleum hochprozentigen Alkohol zu destilieren?! Das geht auch in wenigen Tagen! Außerdem: Wenn Doc weiß dass die Libyer kommen (Teil 1), warum trifft er nicht bessere Vorkehrungen nicht gefunden zu werden.
    Und in Teil 2 existiert der wohl fundamentalste Fehler: Biff fliegt aus 2015 ins Jahr 1955 und gibt sich selbst den Almanac. Wenn er jetzt aus 1955 zurück nach 2015 fliegt, müsste er schon in der veränderten Zukunft ankommen, in der er schon reich und berühmt ist. Er landet aber in der “normalen” Zukunft von Doc und Marty. Das ist nun wirklich ein Fehler, der wahrscheinlich gemacht wurde, damit die Story überhaupt funktioniert.

    Naja … da gibt es noch mehr offene Fragen bzgl. ZIDZ.

    Zurück zu Terminator: Ein sehr schöne Seite erklärt die Zeitreise wirklich ziemlich gut: http://www.operation-cyborg.de/terminator.php

    Doch auch dort wird davon ausgegangen, dass es fortlaufende Zeitreise-Effekte gibt, die die Zeitlinien immer weiter verändern. Und das es eine ganz ursprüngliche Linie gibt, die aber nicht gezeigt wird.

    Aber was ist, wenn die Zeitlinie einfach gerade voran geht und die Zeitsprünge Teile der Linie sind. Wie kleine Knötchen in einem Faden, die die Richtung und den Fortgang des Fadens aber nicht verändern?!

    Ach … man könnte stundenlang darüber philosophieren!
    Aber ich gebe dir Recht: Es ist möglich einen Zeitreisefilm zu drehen ohne Logiklöcher. Ich glaube aber, dass hat bisher keiner geschafft. 😉

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    • Verflixt, mit „Zurück in die Zukunft“ hast du recht! 😀 Bei „Der Anschlag“ meine ich mich daran zu erinnern, dass sie die Zeitreisen mit der Multiversen-Theorie explizit erklären. Deswegen kommt es ja auch zu den Erdbeben, weil sich die verschiedenen Zeitstränge verheddern und das ganze Konstrukt instabil wird.

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  5. Hmm … stimmt. Irgendwas war da mit mehrerer Strängen. Die „klassische“ Multiversen-Theorie erklärt allerdings die Möglichkeit der Zeitreise damit, dass Veränderungen in der Vergangenheit (Universum A) keine Auswirkungen auf die Zukunft haben (Universum B). Somit könnte ein Zeitreisender nichts verändern, denn er kehrt in sein Universum zurück und das veränderte Universum existiert parallel. Bei „Der Anschlag“ kann der Protagonist aber die Auswirkungen seinen Handlungen in der Gegenwart (Zukunft) beobachten. Naja … King macht das anders und wie ich finde sehr originell!!

    Nerd-Info-Fact: Steven Hawking postulierte einmal den Gedanken, dass Zeitreisen deshalb nicht möglich sind, weil man damit theoretisch eine unendliche Massen-Anhäufung zustande brächte, was wiederum die Raumzeit zerstören würde: http://web.de/magazine/wissen/zeitreisen-wissenschaftlicher-sicht-unmoeglich-30489522

    King hat dieses Paradoxon in seinem Buch auch beschrieben: Das Rindfleisch, dann immer das selbe war … exakt das selbe! In der Zukunft, im Burger-Laden, wurde das Fleisch immer mehr. (Hätte man es gelagert und nicht gegessen) Hätte der Imbiss-Besitzer dies unendlich oft wiederholt, wäre „unser“ Universum buchstäblich am Rindfleisch geplatzt. 😉

    Ich finde es sehr erstaunlich, dass King diesen Gedanken so kreativ verarbeitet hat. Er hats eben drauf! 🙂

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    • Ach so, ich hatte die Multiversen-Theorie zuvor so verstanden, dass man sozusagen jeweils in die Zukunft von dem neu eröffneten Zeitstrahl reist und nicht in die ursprüngliche Zukunft. Oha, da kann einem echt schwindelig werden 😀

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